FORMATIONEN
Wie sich das Mundwerk aufstellt
Eindeutig doppeldeutig lassen sich Mundwerks Bemühungen um eine variable und polyphone Klanggestaltung als eine ihrer EigenArten beschreiben. Immer ganz auf sich selbst, seine Individualität, seine Möglichkeiten und Kompetenzen gestellt, immer ganz auf die Kunst, ihre Ausdrucksformen und ihre innovative Grundhaltung bezogen, stellt sich das Mundwerk auf seine besondere Weise dar und auf.
Klassische, frontale Aufstellung
Vorne die Frauenstimmen (links der Sopran), hinten die Männerstimmen (links der Tenor) ist die klassische und seit Jahrhunderten bewährte Choraufstellung. Sie ermöglicht nicht nur ein einerseits kompaktes, andererseits stimmlich transparentes Klanggebilde, sondern gibt dem einzelnen Chormitglied gesangliche Sicherheit, weil es in "seiner" Stimme bleiben kann.
In neueren Varianten dieser frontalen Ausrichtung stehen die Sänger und Sängerinnen bunt gemischt. Diese Aufstellung verlangt mehr Selbstständigkeit im Führen der eigenen Stimme, gibt von der stimmlichen Transparenz ab, erzeugt aber einen noch dichteren, einheitlicheren gemeinschaftlichen Gesang.
Nachdem das Mundwerk Rottenbauer bislang keine öffentlichen Auftritte hat, muss es eine stirnseitige Choraufstellung als klangliche Ausrichtung für Zuhörende nicht bedienen.
Aufstellung "Mundwerk"
Die für das "Mundwerk Rottenbauer" übliche und zu Beginn der Singstunde eingenommene "Aufstellung" ist der nach den Chorstimmen angeordnete Doppelsitzkreis.
Neben hilfreichen chorischen Effekten vermittelt der Sitzkreis eine besonders aufmerksame und im sozialen Sinn besonders förderliche kommunikative Konstellation, die Gemeinschaft auf ungezwungene Weise anbahnt und stabilisiert.
In zweiter Reihe sitzen die aus der musikalisch ersten Reihe, sprich: Die im Führen einer Stimme geübten Sänger und Sängerinnen können durch die nach vorne ausgerichtete Klangrichtung weniger erfahrene bestens unterstützen.
Die "Stimmkreise"
Nachdem die einzelnen Stimmen eines neu einzustudierenden Chorstücks vorgestellt sind, begeben sich die Chorstimmen in je einen "Stimmkreis". Dort festigen und verfeinern sie die vorgestellten Tonfolgen, entdecken ggf. Unsicherheiten, üben konkret an den problematischen Stellen. In der Schule würde man diese Art der Erarbeitung als "Gruppenarbeit" bezeichnen. Der Chorleiter steht nicht im Zentrum des Interesses, sondern unterstützt lediglich im Bedarfsfall.
Das Einüben der unterschiedlichen Chorstimmen findet gleichzeitig und -räumlich statt und fabriziert damit eine beabsichtigte "Kakophonie". Einerseits unterstützen sich die Sänger in einer Art Selbsthilfegruppe, blenden aber gleichzeitig temporär Störgeräusche aus und behaupten sich damit gegen konkurrierende Töne und Klänge.
Hörraum - Klangraum
Singen in einer Chorgemeinschaft funktioniert dadurch, dass man die eigene Stimme, das eigene Singen in einen genau dadurch entstehenden Chorklang integriert. Der eigene Gesang ist also immer auch eingebunden in das gemeinschaftliche Klangereignis. Das eigene Musizieren schafft ein integratives Moment eines Klangraums. Das ist ja auch das, was den Chorgesang so besonders und einzigartig macht. Die einzelne Stimme hat ebenso dienende Funktion, wie sie konstruktiv und produktiv ein akustisches Ereignis hervorruft.
Glücklicherweise singen im "Mundwerk" so viele Sänger und Sängerinnen, dass man die einzelnen Stimmen bequem in zwei oder drei Chöre aufteilen kann. Im Konstrukt "Hörraum - Klangraum" sitzt sich zwei Teilchöre in einer Gassenkonstellation direkt gegenüber. Sie singen gleichzeitig und einzeln. Es entstehen neue und teilweise sehr überraschen Klangerlebnisse, die den Bewusstseinsgrad der musikalischen Darbietung für die Singenden in guter Weise beeinflussen und erweitern.
Wahrnehmen - behaupten
Was ungeübten Chorsängern schwerfällt, ist es, die eigene Stimme weiterzuführen, während eine Nebenstimme etwas ganz anderes singt. Obwohl die Stimmführung solistisch ganz wunderbar und fehlerfrei funktioniert, kommt man im Chorgesang "raus" - man verliert die eigene Melodie, findet sich in einer anderen Stimme (oft die Liedmelodie im Sopran) wieder und oktaviert dabei nicht selten.
Vor allem bei Kanons praktiziert das Mundwerk Folgendes: Um den Klang der eigenen Stimme bewusst wahrzunehmen und gleichzeitig gegen andere Stimmen zu behaupten, gehen die Chormitglieder (meist nach gemeinsamem Beginn) allein los und frei durch den Raum. Dabei hören sie nicht nur ihre eigene Stimme besonders gut, es wird ihnen der eigene gesangliche Beitrag im Gesamten sehr bewusst, es entstehen durch das Aufeinandertreffen mit Stimmen anderer Sänger stets und sich stets verändernd immer neue Klangkonstellationen.
Paarlauf
Der Paarlauf verfolgt die gleichen Ziele wie die Übung "Wahrnehmen - behaupten". Im Unterschied zu der genannten Übung ist man beim "Paarlauf" mit einem unterstützenden Partner unterwegs.
Beispiel Kanon: Ein Paar nimmt sich an der Hand und beginnt mit der ersten Stimme des Kanons. Das Paar sucht ein zweites auf und lädt es zum Mitsingen ein. Sobald sich das zweite Paar erhoben hat, beginnt es ebenfalls, den Kanon (von vorne) zu singen - selbstverständlich muss der Einsatz zum passenden Zeitpunkt erfolgen. Die Paare trennen sich.
Wenn das erste Paar mit dem Kanon zu Ende ist, lädt es ein weiteres Paar zum Mitsingen ein; es ist auf einen stimmgerecht versetzten Einsatz zu achten. Das zweite Paar verfährt ebenso. Nach diesem "Schneeballsystem" sind innerhalb kurzer Zeit alle Sänger und Sängerinnen im Einsatz. Wenn man Glück hat, entsteht ein kanonisch gemischter, harmonischer Gesamtklang.